Wie Trigema-Patriarch Wolfgang Grupp bei Tiktok viral geht

22.09.2023 12:35

Unternehmenskommunikation auf Social Media will gelernt sein. Der schwäbische Mittelständler Trigema macht gerade vor, wie es richtig geht. Inhaber Wolfgang Grupp spielt dabei eine zentrale Rolle.

Von Elisabeth Ries

Action, Comedy, Love Story – in den Social-Media-Videos von Trigema sind so ziemlich alle wichtigen Genres vertreten. Das Textilunternehmen aus Schwaben, das sich noch "made in Germany" auf die Fahnen schreibt, wird im Netz gerade für seine Kurzvideos gefeiert. Eine Zutat für das Erfolgsrezept: Der Chef Wolfgang Grupp höchstpersönlich.

Dabei hat Grupp lange mit den sozialen Netzwerken gefremdelt – und war dort zeitweise sogar höchst unbeliebt. 2010 hatte er in einem Interview über Social Media getönt: "Ich beschäftige mich damit nicht. Twitter ist für mich einfach nur dumm und die Menschen, die das nutzen, sind für mich Idioten. Haben die Menschen eigentlich nichts Besseres zu tun, als über belanglosen Kram zu schreiben?"

Trigema-Chef Grupp polarisiert

Die Twittergemeinde war – wenig überraschend – erzürnt und strafte Grupp mit einem Shitstorm ab, bis dieser schließlich in einem offenen Brief zurückruderte. "Dies ist sicher eine sehr zeitgemäße Kommunikationsmöglichkeit", schrieb er. Etwas anderes blieb dem Trigema-Inhaber, der bis heute keinen eigenen Computer besitzt, wohl auch nicht übrig. Sein Unternehmen bespielte zu diesem Zeitpunkt übrigens selbst schon Facebook, Youtube und eben Twitter.

Instagram kam erst 2014 dazu, der erste Post war ein Mix aus zwei Klassikern. Vor einem aufblasbaren Schimpansen, bekannt aus den jahrzehntelangen Trigema-Werbespots kurz vor der Tagesschau, ließen sich Mitarbeitende für die damals populäre "Ice Bucket Challenge" mit kaltem Wasser übergießen.

Solche Posts sind aber seitdem eher die Ausnahme. Auf den meisten Instagram-Kacheln präsentieren Mainstream-Models die aktuellen Kollektionen. Bei Facebook, Twitter und YouTube sieht es ähnlich aus. Praktikabel, aber klassisches Online-Marketing und eher uninspiriert.

Helikopter und Love-Storys bei Tiktok

Trotzdem merkt man: Das Unternehmen versucht, mit den Online-Marketingtrends mitzuhalten. So gab es mehrere Jahre in einem eigenen Podcast regelmäßig Updates aus dem 1919 gegründeten Haus. Vor einem Jahr kam Tiktok der jüngste Kanal hinzu – und hier agiert der Mittelständler höchst erfolgreich.

Wie das gelingt? Trigema nimmt sich dort nicht zu ernst und spielt mit seinem Image als Familienunternehmen mit Betriebsfamilie. Direkte Werbung für die eigenen Produkte steht im Hintergrund. Schon im ersten Video, das viral ging im Herbst 2022, erzählt ein Produktionsmechaniker namens Patrick auf Schwäbisch und im "Behind the scenes"-Stil, wie gerne er im Unternehmen arbeite. In den Kommentaren gibt es dafür viel Lob.

Und das Social-Media-Team arbeitet auch mit den Kommentaren, bezieht die Community vorbildhaft mit ein. Das jüngste Video etwa zeigt den firmeneigenen Helikopter mit Affen-Konterfei und "Hallo Fans"-Schriftzug. Die Inspiration liefert ein User unter einem anderen Video: "Macht mal vid über Hubschrauber."

Ungeschlagen sind aber die Videos mit Wolfgang Grupp selbst. Der alleinige Trigema-Geschäftsführer redet darin etwa über wirtschaftliches Wachstum – oder auch über seinen Großvater. Letztgenanntes Video ist mit rund 630.000 Impressions der erfolgreichste Post des Kanals.

Besonders angetan ist die Community auch von Videos, die die Liebe zu seiner Frau Elisabeth zeigen sollen: ein Seitenblick auf einer Veranstaltung, ein Lächeln im Büro, scheinbar unbemerkt eingefangen. Das Ganze noch in Zeitlupe und begleitet von gefühlsbetonter Musik. Das ist kitschig – und genau richtig für das Tiktok-Volk. All diese Videos haben hunderttausende Impressions, in den Kommentaren heißt es beispielsweise: "Dieser Mann sollte unser Bundeskanzler sein!!" und "Was ein toller Chef. Zack bum ich kaufe jetzt nur noch Trigema Shirts. Top."

Auch auf anderen Tiktok-Kanälen werden kurze Snippets aus Reden von Wolfgang Grupp geteilt, dort geht es aber politischer und kontroverser zu. Kritik an Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel, an Waffenlieferungen für die Ukraine, an anderen Unternehmern. Wenig überraschend gehen dort auch die Meinungen in den Kommentaren weiter auseinander. Dem Tiktok-Algorithmus gefällt auch das. Teilweise gibt es über eine Million Impressions. Trigema hat sich bisher trotzdem nicht dazu verleiten lassen, für mehr Reichweite auch streitbarere Thesen des Chefs auf dem eigenen Account zu teilen. Die Wohlfühlstrategie funktioniert ja auch.

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