North Sentinel Island: Betreten verboten!

16.05.2022 12:49

"Ich will nicht sterben!" schrieb der US-Amerikaner John Allen Chau auf North Sentinel Island im November 2018 in sein Tagebuch – kurz vor seinem Tod. Der Missionar wollte die Sentinelesen zum Christentum bekehren. Diesen Versuch bezahlte er mit seinem Leben. Die abgelegene Insel im Indischen Ozean zählt zu den gefährlichsten Orten der Welt

Als der 26-jährige Adventure-Blogger John Allen Chau mit der Bibel unter dem Arm den Strand von North Sentinel Island ohne Erlaubnis betrat, wusste er, worauf er sich einließ. Die rund 60 Quadratkilometer große Insel im Indischen Ozean ist Teil der Inselkette der Andamanen und wurde 1996 zum Sperrgebiet erklärt, das Betreten seither streng verboten.

North Sentinel Island ist die Heimat der Sentinelesen, eines der letzten isolierten Völker der Welt. Anthropologen schätzen, dass das Volk schon seit etwa 55.000 Jahren völlig abgeschieden auf der Insel lebt. Den Kontakt zur Zivilisation verweigern die Eingeborenen seit jeher – zu groß ist die Angst vor dem Unbekannten.

North Sentinel Island ist einer der gefährlichsten Orte der Welt

Zusammentreffen mit Menschen von außerhalb endeten für die Eindringlinge in der Vergangenheit oft tödlich, daher zählt North Sentinel Island zu den gefährlichsten Inseln der Welt. Als ein Hubschrauber mit einem Hilfstrupp nach dem verheerenden Tsunami im Jahr 2004 North Sentinel Island anflog, schlugen die Sentinelesen diesen mit einem dichten Pfeilhagel in die Flucht. Zwei Jahre später starben zwei Fischer, die in ihrem Boot nahe der Insel übernachtet hatten.

Und so ereilte auch John Allen Chau dieses Schicksal, nachdem er lokale Fischer bestochen hatte, ihn an der Küstenwache vorbei zu schmuggeln und nach North Sentinel Island zu bringen. „Mein Name ist John. Ich liebe euch, und Jesus liebt euch“, soll der Amerikaner bei seiner Ankunft gerufen haben – und damit nicht auf Begeisterung bei den Sentinelesen gestoßen sein.

Das Volk von North Sentinel Island versuchte vergeblich, den Eindringling zu verscheuchen. Bei seinem zweiten Versuch, die Insel unerlaubt zu betreten, erschossen sie Chau mit Pfeil und Bogen.

Das gefährlichste Volk der Welt? Ein Mythos!

Man kann nur mutmaßen, wie diese Annäherung von den Sentinelesen verstanden wurde. Fehlender Respekt? Hausfriedensbruch? Vielleicht sogar als Kriegserklärung? Klar ist, dass John Allen Chau – wie viele andere vor ihm - das Volk nicht davon überzeugen konnte, sich ihn zum Freund machen.

Der sensationsheischende Mythos vom "gefährlichsten Volk der Welt", der die Sentinelesen als besonders feindselig und blutrünstig verklärt, ist jedoch falsch. Sich und sein Volk vor Fremden schützen zu wollen, ist ein urmenschlicher Instinkt.

Der Überlebensinstinkt isoliert lebender Völker heute ist viel ausgeprägter als der unsere, ihr Überlebensquotient direkt mit der Anzahl der Kontakte zur Außenwelt verknüpft. Je höher die Zahl der Außenkontakte, desto niedriger die Überlebensrate.

Zum einen sind indigene Völker wie die Sentinelesen auf North Sentinel Island nicht immun gegen moderne Krankheiten. Zum anderen ändert sich bei wiederholten Zusammentreffen mit Außenstehenden das ganze Leben für diese Völker – was nicht immer positiv verläuft, wie in der Vergangenheit oft die Versuche westlicher Kulturen gezeigt haben, die sogenannten „Wilden zu zivilisieren“.

Nur wenig ist über das Volk der Sentinelesen bekannt

Aufgrund seiner abgeschiedenen Lebensweise auf der kleinen Insel im Indischen Ozean ist bis heute kaum etwas über das Inselvolk bekannt. Auch Ethnologen wissen nur wenig über die Lebensweise der Sentinelesen, der Zugang zu North Sentinel Island blieb ihnen verwehrt.

So bleibt Forschenden nicht mehr übrig als die wenigen Beobachtungen aus der Ferne und historischen Berichte auszuwerten, die indische Anthropologen wie Vishvajit Pandya und Triloknath Pandit von ihren kurzen Besuchen mitbrachten.

Als gesichert gilt, dass die Sentinelesen als Jäger und Sammler leben und sich von dem ernähren, was das Meer und die Insel hergeben. Über ihre Sprache, Religion und Kultur weiß man hingegen nichts. Und wohlmöglich ist es besser, wenn das auch so bleibt.

 

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