Ein Schock, der wieder durch die Stadt geht – Entsetzen in Hanau nach dem gewaltsamen Tod zweier Kinder

12.05.2022 12:17

Polizisten entdecken in der Hanauer Innenstadt zwei tote Kinder. Schnell gehen die Beamten von einem Verbrechen aus. Während die Fahndung nach dem Verdächtigen läuft, macht sich in der Stadt Entsetzen breit.

Die hessische Stadt Hanau steht unter Schock. Wieder ist es ein unfassbares Verbrechen, das die Stadt in die Schlagzeilen bringt. Zwei Kinder sind tot, vermutlich umgebracht von einem Angehörigen. Und viele, viele Fragen sind noch offen.

Es ist Mittwochmorgen gegen halb acht, als die Polizei an dem in die Jahre gekommenen Hochhaus im Zentrum der 100.000-Einwohner-Stadt eintrifft. Zuvor war ein Notruf in der Einsatzzentrale eingegangen – Passanten hatten ihn abgesetzt.

Zwei tote Kinder in Hanau

Im Hof des Wohn- und Geschäftsgebäudes machen die Beamten die furchtbare Entdeckung. Ein kleiner Junge liegt auf dem Boden, mit schweren Verletzungen. Er ist nicht mehr ansprechbar. Über ihm ragen Reihen grauer Balkonbrüstungen aus Beton Dutzende Meter in die Höhe. Alarmierte Rettungskräfte eilen herbei, bringen das Kind ins Hanauer Stadtkrankenhaus – doch die Ärzte können es nicht mehr retten, "trotz aller Bemühungen", wie die Polizei später berichten wird. Der Junge wurde gerade einmal elf Jahre alt.

In dem elfstöckigen Hochhaus stoßen die Polizisten auf das nächste Kind. Auf dem Balkon einer Wohnung in den oberen Stockwerken entdecken sie ein Mädchen, wahrscheinlich die Schwester des Jungen. Sie ist bereits tot. Gestorben mit sieben Jahren.

Die Ermittler rücken mit einem Großaufgebot zu dem Betonklotz an der Römerstraße aus. Beamte von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft befragen Nachbarn, durchsuchen die Wohnung, eine Drohne für Fotos steigt auf, Mitarbeiter der Spurensicherung schneiden sogar Blumen und Sträucher vor dem Hochhaus ab, um besser Spuren finden zu können. Kein Detail soll unentdeckt bleiben, das Geschehen möglichst minutiös rekonstruiert werden. "Bei einer solchen Tat fahren wir das volle Programm", sagt ein Polizist. Der schreckliche Verdacht wird im Verlauf des Tages mehr und mehr zur Gewissheit: "Die Ermittler von Staatsanwaltschaft und von Kriminalpolizei gehen von einem Tötungsdelikt aus", heißt es am Mittag. Unter Verdacht: ein Familienangehöriger der Kinder. Die Fahnder wissen, nach wem sie suchen müssen.

Um wen es sich bei dem Mann handelt, will die Polizei nicht verraten. Sie bestätigt damit auch nicht Berichte mehrerer Medien, wonach der Verdächtige der Vater der beiden getöteten Kinder sein soll. Nur so viel: Nach ihm wird "mit Hochdruck" gefahndet – bis zum Abend jedoch ohne Erfolg. Der "Spiegel" berichtet, ein Mann, der dem Verdächtigen ähnlichsehe, sei in einem Video zu sehen. Er renne auf der Aufnahme vom Tatort weg und besteige ein Taxi. Bestätigt ist das ebenfalls nicht. Ob die Mutter eine Rolle in dem Fall spielt, ist nicht bekannt.

Die Nachricht vom Tod der beiden Kinder verbreitet sich wie ein Lauffeuer in Hanau und darüber hinaus. Die Stadt war bereits vor gut zwei Jahren Schauplatz eines Verbrechens geworden, dass deutschlandweit Entsetzen hervorrief. Ein 43-Jähriger hatte damals aus rassistischen Motiven neun Hanauerinnen und Hanauer erschossen und danach seine Mutter und sich selbst getötet.

"Es ist ein Schock, der wieder durch die Stadt geht", versucht der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) in der "Bild"-Zeitung, das Entsetzen in Worte zu fassen. Und er sagt: Die Familie habe schon "seit einigen Monaten sozialpädagogische Unterstützung bekommen". Es gibt Berichte über häusliche Gewalt – aber auch die sind noch nicht bestätigt. Die Gerüchteküche läuft heiß, wie so oft nach solchen Taten. Die Stadtverwaltung wird viele Fragen zur Betreuung der Familie zu beantworten haben: Hätte man etwas merken können? Wäre die Tat zu verhindern gewesen? "Wir müssen die weiteren Ermittlungen der Polizei jetzt abwarten", sagt der OB.

Polizei sucht nach dem Täter

Die Beamten versuchen noch Stunden nach der Tat weiter herauszufinden, was sich genau in oder vor dem Hochhaus abgespielt hat – unter den Augen von zahlreichen Schaulustigen, die sich hinter Absperrbändern am Tatort in der Innenstadt eingefunden haben, wie ein Reporter der Nachrichtagentur DPA berichtet. Ganz in der Nähe ist der Wochenmarkt. "Man ist geschockt, vor allem wenn man selber Mutter ist", sagt eine 32-Jährige, die mit ihren zwei Kleinkindern unterwegs ist.

Die Leichname der beiden Kinder sind in der Rechtsmedizin. Noch an diesem Mittwoch sollen sie obduziert werden. "Weitere Erkenntnisse können vermutlich erst am Donnerstag veröffentlicht werden", erklären die Presseleute von Polizei und Staatsanwaltschaft, während ihre Kollegen nach dem Mann suchen, der die beiden Kinder aus ihrem jungen Leben gerissen hat.

Vor dem Hochhaus in der Hanauer Innenstadt legen Passanten derweil Blumen nieder und stellen Kerzen auf. "Ruhet in Frieden" steht auf einer. Auf einer weiteren: "Warum?"

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