Apple wird seine Telefone neu gestalten müssen – in der EU droht eine Smartphone-Revolution. Das sagen die Hersteller

04.05.2022 12:37

Mit der sogenannten Batterieverordnung will die EU Hersteller diverser Geräte dazu zwingen, die Akkus leicht zugänglich zu machen. Für Apple, Samsung, Xiaomi und Co. hieße das eine Neugestaltung fast aller Geräte.

Festverklebte Akkus verbieten, Ladeanschlüsse vereinheitlichen: Was aktuell in der EU an Auflagen und Regeln für Hersteller technischer Geräte geplant wird, kommt wohl für so manchen Weltkonzern einer Katastrophe gleich. Sollte die EU beide Richtlinien durchsetzen, würde das bedeuten, dass die Hersteller ihre Geräte entweder vollständig umbauen, oder zumindest eigene Modelle für den europäischen Markt bringen müssten. Beides stellt Apple, Samsung, Xiaomi und Co. vor große Herausforderungen – denn es geht um sehr viel Geld und weniger Möglichkeiten, Verbraucher:innen mit markenexklusiven Eigenheiten an das eigene Zubehör-Ökosystem zu binden.

An gleich zwei Fronten wird es konkret: Ende April stimmte der Ausschuss für den Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) des EU-Parlaments mit großer Mehrheit für USB-C als einheitlichen Standard für das Aufladen von Smartphones, Laptops, Kopfhörern, Digitalkameras, Wearables und mehr. Gleichzeitig laufen die sogenannten Trilog-Verhandlungen, um zusätzlich dafür zu sorgen, dass insbesondere die Batterien zahlreicher Geräte mit einfachem Werkzeug und ohne große Vorkenntnisse austauschbar sein müssen.

Alles auf Anfang

Was das bedeutet, fasst Anna Cavazzini, Vorsitzende des EU-Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, für den stern zusammen: "Apple und andere Hersteller werden in der Tat ihre Telefone neu gestalten müssen. Es ist wichtig, das Design von Produkten zu überdenken, um ihren ökologischen Fußabdruck zu verbessern." Weiter heißt es: "Und nicht nur das: Batterien müssen mindestens 10 Jahre lang nach dem Verkauf zu einem angemessenen Preis für unabhängige Betreiber und Endnutzer als Ersatzteile erhältlich sein." Was den Anschluss betrifft, sieht sie ebenfalls nur Vorteile: "Ein einziger Standard, USB-C, zum Aufladen von Smartphones, Laptops oder Kopfhörern spart Ressourcen, vermeidet tausende Tonnen Elektroschrott und schont den Geldbeutel der Verbraucherinnen und Verbraucher."

Sowohl für die Einführung von USB-C als Kabelstandard als auch die Umsetzung der Batterieverordnung plant die EU schon für 2024. Beide Parlamentspositionen befinden sich in abschließenden Verhandlungen zwischen Europaparlament und den EU-Staaten.

Xiaomi wartet ab, Apple liefert Gegenargumente

Der stern wollte wissen, wie sich die Hersteller auf diese einschneidenden Veränderungen des wichtigen europäischen Marktes vorbereiten. Auch nach einem Monat des Wartens antwortete Samsung nicht. Xiaomi hingegen schreibt: "Xiaomi beobachtet die Entwicklungen genau und wird sich an alle möglichen Änderungen der Gesetze und Vorschriften in den Märkten halten, in denen Xiaomi tätig ist. Xiaomi begrüßt alle Änderungen, die die Zufriedenheit der Verbraucher:innen erhöhen und zur Nachhaltigkeit der Umwelt beitragen."

Die meisten Argumente gegen die Reformen lieferte Apple. Der Hersteller verwies gleichzeitig auf die kürzlich in den USA gestartete Self-Service-Reparatur, die es Endkunden erlaubt, Originalteile und zertifiziertes Werkzeug direkt von Apple zu beziehen – und damit Geräte unter Anleitung instand zu setzen. Noch in diesem Jahr startet das Programm auch in Europa.

Zu den erzwungenen Änderungen sagte das Unternehmen dem stern: "Wir entwickeln unsere Produkte so, dass sie lange halten und möglichst selten repariert werden müssen. Unsere neuen Produkte sind haltbarer als je zuvor." Als konkrete Beispiele für die erhöhte Haltbarkeit nennt Apple neben dem hauseigenen Ceramic-Shield-Glas vor allem die IP68-Zertifizierung, die den Geräten attestiert, staubdicht und geschützt vor dauerndem Untertauchen bis maximal 1,5 Meter für maximal 30 Minuten zu sein.

Letzteres erreicht Apple, wie viele andere Hersteller auch, durch Einsatz verklebter Bauteile, die das Gerät an empfindlichen Stellen abdichten. Das wiederum erschwert aber die einfache Reparatur, die der EU so wichtig ist.

Für Apple hat diese Haltbarkeit klare Vorteile: Die Geräte behielten nach Ansicht des Herstellers länger ihren Wert und seien damit geeigneter für Eintauschprogramme. Was USB-C betrifft, hatte sich Apple bereits vor längerer Zeit geäußert und sagte, dass der Schnittstellen-Zwang "Innovationen behindert".

"Ein Designtrick der Hersteller"

Es ist dennoch unwahrscheinlich, dass die Argumente, insbesondere zur Tauschbarkeit der Batterien, bei den Entscheidern auf Gehör stoßen. Anna Cavazzini formuliert das recht eindeutig: "Batterien in Geräten zu verkleben ist ein Designtrick der Hersteller, damit Verbraucherinnen und Verbraucher alle paar Jahre neue Geräte kaufen müssen. Dabei können wir nicht weiterhin ganze Elektrogeräte wegwerfen, nur weil die Batterie kaputt ist. Schon jetzt ist Elektroschrott der am schnellsten wachsende Müllberg in der EU. Die Batterieverordnung wird solchen Praktiken ein Ende setzen."

Wichtig bei einer Abwägung der Vor- und Nachteile ist eine Betrachtung aller betroffenen Geräte. Während sich Smartphones (auch iPhones) eigentlich leicht reparieren lassen oder gegen kleines Geld an nahezu jeder Ecke in einem Reparaturshop abgegeben werden können, sieht das bei anderen Produktkategorien anders aus. Die Batterieverordnung betrifft auch Computer, Kopfhörer, Staubsaugerroboter, E-Bikes und E-Roller, teilweise sogar Autobatterien. Hier ist es in der Tat oft so, dass mit einer defekten Batterie auch der Rest der Produkte unbenutzbar wird.

Eine entsprechende Vorschrift, dass dieses Bauteil leicht austauschbar bleiben muss, ist also definitiv im Sinne der Verbraucher. Und ein Blick auf gänzlich andere Produkte, zum Beispiel Armbanduhren, zeigt, dass es vermutlich durchaus möglich ist, statt Kleber auf Schrauben zu setzen. Was USB-C betrifft, ist der Wechsel aller Hersteller eigentlich nur eine Frage der Zeit. Wie lange der Standard aber dann ein "Muss" bleibt, ist offen. Geräte ganz ohne Anschlüsse sind dann jedenfalls erst einmal vom Tisch – denn das ist in der EU-Verordnung nicht erwünscht.

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